Auflösung einer Hühnerhaltung in einem Münchner Seniorenwohnheim
Tierschutz in und um München
In einem Münchner Seniorenwohnheim steht die Auflösung einer kleinen Hühnerhaltung mit 13 Hennen und einem Hahn bevor. Die Tierhaltung ist Maßnahme eines tiergestützten Pflegekonzepts, das darauf abzielt, das Wohlbefinden der Bewohner durch den Kontakt mit Tieren zu fördern. Warum dann die Auflösung? Auf den ersten Blick klingt das alles doch wundervoll, warum also holen wir, von der Tierhilfe Fünfseenland e.V., die Tiere auf Bitte des Seniorenwohnheimes ab und bringen Sie auf Pflegestellen unter? Weil artgerechte Versorgung, Zeit, Liebe und Muße für die Tiere einfach aufgrund der häufig hohen Arbeitsbelastung von Pflegekräften nicht machbar ist. Wir setzen uns von der Tierhilfe Fünfseenland stattdessen dafür ein, dass noch fitte Menschen, die bereits ein Tier haben, nicht aufgrund des Umzugs in ein Wohnheim für Senioren zur Abgabe des Tieres gezwungen werden. Stattdessen sollte es möglich sein, Tiere (Hunde, Katze, Kaninchen etc.) ins Heim mitzunehmen, sofern es die individuelle Situation des Heimes erlaubt.
Fitte Menschen sollten bei Umzug in ein Seniorenwohnheim Tiere mitnehmen dürfen!
Häufig sind Pflege- oder Seniorenheime mit der Anschaffung der Tiere überfordert. Zum einen mögen nicht alle Menschen den Kontakt zu Tieren. Meist fehlt es zudem den Pflegekräften, die häufig ohnehin schon unterbesetzt und überlastet sind, an Wissen, Zeit und Muße für die artgerechte Versorgung der Tiere. Aus diesem Grund sind wir gegen die Anschaffung von Tieren in Pflegeheimen. Allerdings sollte es möglich sein, sein eigenes Tier mitzunehmen!
Sophie von Boeckmann, 1. Vorsitzende Tierhilfe Fünfseenland e.v.
Der Hintergrund der tiergestützten Therapie
Tiergestützte Therapie hat in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen. Viele Einrichtungen werben damit, dass der Kontakt zu Tieren, sei es durch Hunde, Katzen oder eben Hühner, positive Effekte auf die psychische und physische Gesundheit der Bewohner hat. Diese Form der Therapie soll Stress reduzieren, soziale Interaktionen fördern und sogar kognitive Fähigkeiten unterstützen.
Die Realität der Hühnerhaltung im Seniorenheim
Die Realität sieht jedoch oft anders aus. In diesem Fall zeigt sich, dass weder die Bewohner noch das überlastete Pflegepersonal in der Lage sind, sich angemessen um die Tiere zu kümmern. Die Pflegekräfte sind ohnehin stark beansprucht, die zusätzliche Verantwortung für die Tiere führt zu einer Überforderung.
Die Herausforderungen der Hühnerhaltung
- Pflege und Versorgung: Hühner benötigen tägliche Pflege, regelmäßige Fütterung, Reinigung des Stalls und medizinische Versorgung. Diese Aufgaben, vor allem die Reinigung, können für ältere Menschen und überlastetes Pflegepersonal zu einer großen Herausforderung werden.
- Raumbedarf: Hühner benötigen ausreichend Platz zum Scharren, Picken und Ruhen. Ein artgerechter Stall und ein Außengehege sind unerlässlich, um den Tieren ein tiergerechtes Leben zu ermöglichen: Mindestens 10 Quadratmeter sollten pro Huhn zur Verfügung stehen. Außerdem müssen die Tiere mit passenden Zäunen vor Räubern wie Füchsen geschützt werden.
- Tierschutz und Tierethik: Wenn Tiere nicht ausreichend gepflegt werden, leidet ihr Wohlbefinden. Die Vernachlässigung kann zu Krankheiten und Verhaltensstörungen führen und ist tierethisch für uns absolut nicht vertretbar.
Die Hühner aus dem Seniorenheim werden daher nun erst einmal bei einer Pflegestelle untergebracht, bis sie ein neues Zuhause finden, in dem sie gut versorgt werden.
Warum sind wir gegen tiergestützte Seniorenheime oder Kindergärten?
Die Idee, Tiere in Seniorenheimen oder Kindergärten zu halten, erscheint auf den ersten Blick sinnvoll und besonders charmant. Das neueste Beispiel aus München zeigt allerdings, dass eine solche Initiative gut durchdacht und organisiert sein muss. Es bedarf einer kontinuierlichen und fachgerechten Pflege, die zu oft über die Möglichkeiten der Heime – und besonders des betreuenden Personals – hinausgeht.
Gute Absichten reichen oft nicht aus, um eine tiergestützte Therapie erfolgreich umzusetzen. Eine sorgfältige Planung und ausreichende Ressourcen sind unerlässlich. Einrichtungen, die solche Angebote planen, sollten sicherstellen, dass sie die notwendigen Mittel und das Wissen haben, um den Tieren ein artgerechtes Leben zu ermöglichen und den versprochenen therapeutischen Nutzen tatsächlich zu erbringen. Nur dann kann diese Form der Therapie wirklich den Menschen und Tieren gleichermaßen gerecht werden.
Was empfehlen wir?
Wenn man einem Menschen sein Tier, das häufig dem Leben einen besonderen Sinn gibt, wegnimmt, dann sind Depressionen und Schuldgefühle vorprogrammiert. Deshalb sollte man im Vorfeld, also vor Anschaffung des Tieres genau überlegen, wer sich um das Tier im Notfall (z.B. Krankheit, Umzug ins Seniorenwohnheim, etc.) kümmert. Kann der Hund zur Tochter oder zum Sohn? Gibt es Nachbarn die sich um den Hund kümmern? Wo in der Nähe gibt es ein Seniorenwohnheim, wo der geliebte Vierbeiner mitgenommen werden darf?
Es gibt zahlreiche Vorteile für die Mitnahme von eigenen Haustieren in Seniorenwohnheime. Zum einen gestaltet sich die Eingewöhnungszeit leichter, wenn das vertraute Tier beim Umzug mitkommt. Tiere wirken auf Heimbewohner wohltuend und ausgleichend, bestärken Lebensfreude und fördern Beweglichkeit und Aktivitäten. Außerdem kommt man mit anderen Heimbewohnern durch viele Gespräche über die Haustiere leichter in Kontakt. Mit dem geliebten Vierbeiner oder gefiederten Freund den neuen Lebensabschnitt zu beginnen, vereinfacht vielen den Abschied aus der gewohnten Umgebung. Und die Tierhaltung bedeutet auch für die Senioren Verantwortung übernehmen, fördert tägliche Aufgaben und hält dadurch die Senioren fit.
Die Voraussetzungen für den Einzug der Vierbeiner in ein Seniorenwohnheim variieren je nach Einrichtung und reichen von Gesundheits- und Hygieneforderungen (Tiere müssen gesund sein, sauber und gut gepflegt) bis hin zu Verantwortlichkeit und Betreuung. D.h. der Bewohner muss in der Lage sein, sich selbständig um das Haustier zu kümmern oder sicherzustellen, dass Angehörige oder externe Helfer diese Aufgabe übernehmen. Das Tier darf nicht aggressiv gegenüber dem Pflegepersonal oder anderen Bewohnern sein. Berücksichtigt werden muss ob Bewohner oder Pflegepersonal allergisch reagieren oder vor bestimmten Tieren mit Angst reagieren.