Engelchen Shady
Eine berührende Geschichte
Als ich Shady am 07.06. zusammen mit 3 anderen Frauen auf dem Ostfriedhof fand, wog sie 2,3 Kilo. Sie war sehr hungrig und durstig, außerdem zutraulich und sanft zu ihren Finderinnen. Wenn eine von uns die Gruppe verließ, um zum Beispiel zu telefonieren, kam sie sofort hinterher, als wollte sie „das Rudel“ zusammen halten.
Die Tumore an ihrem Bauch waren deutlich zu sehen und uns wurde klar, dass sie wahrscheinlich nicht ausgebüxt war. Da wollte sich jemand das Geld und den Anblick des letzten Abschnittes eines Lebens sparen.
Als ich hörte, dass Tiere, die spät abends ins Tierheim kommen, die Nacht in einer zur Seite geschoben Box verbringen müssen, wusste ich, dass sie die Nacht bei mir verbringen wird. Ich mutmaßte, dass sie bereits viel Angst, Einsamkeit, Hunger und Durst durchlebt hatte und wollte ihr weitere mögliche ähnliche Erfahrungen ersparen.
Sie fremdelte kein Stück. Betrat neugierig meine Wohnung und suchte sich einen bequemen Platz. Sie verkroch sich nicht und pieselte auch nicht irgendwo hin. Dafür hätte ich Verständnis gehabt und das fast schon erwartet. Aber dafür war sie einfach zu sehr Dame. Nach 4 Stunden hatte ich ein Katzenklo, welches sie sofort unaufgefordert und routiniert benutzte.
Das ist das Bequeme, wenn man erwachsene Katzen übernimmt. Man muss ihnen solche Sachen nicht mehr beibringen.
Sie ließ sich auch jederzeit streicheln und schnurrte dabei. Sie war so brav.
Am nächsten Tag bekam ich mit, dass es in München -zusammen mit dem Tierheim- letztendlich nur 3 Anlaufstellen für Fundkatzen gibt. Ich rief also die an, mit der besten Bewertung: die Tierhilfe Fünfseenland e.V.
Sofort wurde mein Anruf entgegengenommen, und noch am selben Tag kam Sophie, die Vorsitzende der Tierhilfe Fünfseenland e.V., vorbei, um sich den Fall anzusehen. Das Team der Tierhilfe Fünfseenland e.V. war sehr einfühlsam, und sehr engagiert für Shady. Sie vereinbarten sofort einen Termin beim Tierarzt und besprachen mit mir, wie es mit Shady weitergehen könnte.
Ob sie bei mir bleiben könnte, denn der Platz ist ja immer sehr begrenzt.
Ich war sehr unsicher. Schließlich hatte ich eine psychisch sehr anstrengende Zeit hinter mir und wusste nicht was ich mir im Moment zutrauen konnte.
Aber Sophie hatte festes Vertrauen in mich. Sie ermutigte mich und versprach Unterstützung in jeglicher Hinsicht. Und sie hielt ihre Versprechen und sie behielt recht mit ihrem Vertrauensvorschuss.
So zog Shady bei mir ein.
Sophie sagte mir, ich solle mir einen Namen für die kleine Britisch-Kurzhaar-Dame überlegen.
Die Freundin, die mir das Katzenklo vorbei gebracht hatte, hatte auf dem Heimweg die ganze Zeit das Lied „Slim Shady“ im Ohr. Schließlich war die kleine Dame auch ganz schön dünn. Ich fand den Name Shady einfach sehr griffig und er passte gut zu ihrer Fellfarbe.
Eines morgens schlug ich die Augen auf und das Erste was ich sah war sie, wie sie mich mit diesem Blick ansah. Ich glaube sie war einfach nur dankbar.
Dann hatte Shady ihre erste OP. Natürlich waren Trichter und Body ganz doll doof.
Aber die Wunde heilte schnell.
Das entnommen Gewebe wurde im Labor untersucht und der Befund ergab einen sehr bösartigen Tumor.
Ein Tierarzt meinte dass sie wohl in einer Kellerzucht als Gebärmaschine ausgenutzt wurde. Mit einem Gesäugekarzinom war sie wahrscheinlich nutzlos geworden. Seiner Erfahrung nach, haben Tiere in diesem Stadium noch 2 bis 6 Monate zu leben.
Das traf uns alle. Aber noch lebte sie ja und ich beschloss, Sophies Beispiel zu folgen und keine Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen. Shady ging es im Moment sehr gut und sie war gerne am Leben. Ich richtete mich also so ein, als ob sich das nicht so schnell ändert und brachte ihr Katzenregale an der Wand an und machte den Balkon katzensicher. Ich schuf ihr viele Liegeplätze. Und Sophie war immer da, wenn ich was brauchte.
Ich hatte die Wohnung nun für sie umgestaltet.
Shady ging es immer besser. Sie wurde schwerer, 4,5 Kilo, und neugieriger. Sie ahmte die ein oder andere Verhaltensweise von mir nach und passte sich mir an. Aber trotzdem teilte sie mir auch höflich und sanft, aber bestimmt und geduldig mit, was sie wollte.
Wir gingen im Hausflur spazieren und die Nachbarn besuchen. In deren Wohnung sie reinspitzeln durfte und verhungerte Katze spielen konnte. Auch der Speicher und der Keller wurden regelmäßig erkundet.
Und obwohl Shady die erste Katze war, die keinen Spieltrieb zu haben schien, kam auch dieser ganz zart zurück. Manchmal hatte sie sogar Zoomies und forderte mich zu Jagdspielen heraus.
Ihr Körper hatte sogar die Kraft dafür übrig rollig zu werden. Auch hier verstand sie es die Contenance zu bewahren. Sie war weder laut noch aufdringlich. Lediglich verschmuster und dem Boden halt sehr zugetan.
Sie war nie eine Schoß- und Schmusekatze. Aber sie wollte immer neben mir sein und wenn ich sie streicheln wollte, hat sie das immer zugelassen.
Der Herbst und der Sommer waren eine tolle Zeit. Anfang Winter schien etwas nicht mit ihr zu stimmen. Die Tierhilfe Fünfseenland brachte sie zum Tierarzt und es wurde festgestellt, dass der Tumor zurück gekehrt war.
Doch er hatte immer noch nicht (wie es eher üblich ist) in die Lunge gestreut und sowohl Blutwerte als auch ihr Appetit und Lebenswille waren super.
Ich achtete auf eine hohe Futter Qualität und auch dabei unterstützte mich Sophie. Als sie Shady sah, wie sie einfach noch nicht fertig mit dieser Welt war, wurde eine zweite OP vorgenommen. Das fand ich sehr rührend. Auch hier heilte die Wunde bald.
Und als es draußen immer kälter wurde, schauten wir zusammen abends immer Katzen TV. Sie schaute gespannt den Vögeln zu, bis sie darüber einschlief. Wie eine alte Dame bei ihrem abendlichen Krimi.
Auch mit Katzenmusik, also meist ruhiger und schlichter Klaviermusik konnte sie super entspannen.
Irgendwann entzündete sich ihre OP-Narbe sehr schlimm und ich dachte schon wir müssten sie deswegen einschläfern lassen. Doch dann fand ich heraus, dass sie sich wohl mit einem Pilz infiziert hatte und mit diesem Ansatzpunkt fing die Wunde sich an zu bessern. Auch hier unterstütze mich das Team der Tierhilfe Fünfseenland e.V. wieder mit Rat und Tat und Medikamenten. Shady wurde wieder aktiver und entspannter.
Ich wünschte nur ich wäre eher draufgekommen, dann hätte ich ein paar Tage mehr Lebensqualität für sie rausholen können. Am 31.01 2024 starb Shady. Denn der Tumor hatte ihr Gehirn erreicht. Von einem Tag auf den anderen bekam sie epileptische Anfälle im 20 Minuten Takt.
Diese Anfälle waren wahnsinnig kaftraubend und anstrengend für sie. Und sofort war klar: für diesen Zustand hatte auch Shady keine Kraft, das zeigte sie mir deutlich.
Auch hier war das Team der Tierhilfe Fünfseenland e.V. blitzschnell und bestellte die Tierrettung zu mir. So dass Shady nicht noch Ewigkeiten mit Tierarztangst und weiteren Krämpfen durch die Gegend gefahren wird.
Eine halbe Stunde verbrachte ich mit ihr auf dem Balkon. Es war der erste sonnige Tag in diesem Jahr uns seit langem überhaupt. Wir genossen die warmen Sonnenstrahlen und beobachteten die Krähen und Tauben und ein letztes Mal stellte Shady interessiert ihre Ohren auf und fokussiert schwach die Vögel.
Dann kam die Tierrettung und die Sanitäterin schläferte Shady ein, ohne eine Atmosphäre zu schaffen, die Shady zusätzlich Angst gemacht hätte. Sophie kam noch hinzu um Shadys Körper abzuholen. Da ich so überrascht von der ganzen Situation war, dass ich nicht wusste was zu tun war.
Vielleicht sieht es so aus, als ob ich Shady geholfen habe. Eigentlich hat sie aber mir geholfen, durch eine schwere Zeit. Sie half mir wieder einen Fokus zu finden und die Zeit zu genießen, die wir JETZT haben. Ich denke wir alle wissen, wie viel ein Tier uns gibt.
Und dabei hat uns die Tierhilfe Fünfseenland und Sophie geholfen.
Dafür bin ich sehr dankbar.
Und Shady mit Sicherheit auch.
Sara